#05

Keine Schlange im Schlafsack, keine Schnecke im Gesicht und ich wurde auch nicht von neugierigen Einwohnern geweckt. Ich glaube, man kann von einer erfolgreichen Nacht sprechen. Somit konnte ein neuer Tag beginnen. Was diesmal auf mich wartet? Wir werden sehen.

Beim Wildcampen ist es ja so, dass du halt nicht unbedingt ewig schläfst. Weil der Kopf spielt da auch ein bisschen mit: Die gemütliche Gehirnhälfte („Ach ein bissl bleib ich noch liegen“) zieht da meist gegen die ängstliche Hälfte („Was ist, wenn mich wer erwischt?“) den Kürzeren. Dementsprechend früh kommt man meist weg. Und das ist auch ganz gut, weil da hat man gleich mehr vom Tag. Überhaupt wenn so die Sonne scheint.

Wildcampen Sonnenaufgang
wenn man so geweckt wird, steht man gerne auf

Ich packte meine Sachen und machte mich auf den Weg. Der führt mich über sehr wenig befahrene Straßen in die nächste Ortschaft. Und von da ging es dann über Güterwege weiter.

Leitung am Wegesrand
so etwas habe ich auch noch nie gesehen

Ukrainische Straßenverhältnisse

Einer dieser Wege hatte allerdings eine neue Herausforderung. Nein, nicht der Schlamm. Sondern die Qualität. Der Weg erinnerte mich ein bisschen an Minesweeper: die älteren lebenserfahreren Leser unter euch werden sich bestimmt an das Windows-Spiel erinnern, wo man die Minen finden musste. Ein falscher Klick und das Spiel war aus.

Hier gabs zwar zum Glück keine Minen, aber dafür Schlaglöcher. Und wie viele! Eine falsche Lenkbewegung und das Spiel ist aus. Ich hatte schon eine ungefähre Vorstellung, was mich in der Ukraine erwarten würde.

Als ich das auch irgendwie hinter mich gebracht habe, dachte ich ein bisschen wehmütig an den gestrigen Übernachtungsplatz zurück.

Ja, es hat alles gepasst.

Ja, es war super.

Aber es war nicht das.

Diese Ruhe, diese Stimmung, herrlich!

Und es wäre ja nicht einmal weit weg gewesen.

Aber ich hab es versäumt – leider!

Nun ja, abhaken und weiterfahren.

Frühstück am Wasser

Der Weg führte mich entlang eines Dammes Richtung Norden. Da ich noch nicht gefrühstückt hatte und ich mittlerweile hungrig geworden war, stärkte ich mich. Kekse mussten den Zweck erfüllen, sonst hatte ich nichts mehr bei mir.

Das Wetter war traumhaft, die Sonne schien mir aufs Gesicht. Ich nutzte die Pause um mich einzucremen. Einen Schluck noch trinken und weiter gings. Am Damm entlang.

Und wer den den 1. Beitrag meiner Reise bereits gelesen hat, der weiß, dass ich kein Freund von Dämmen bin.

Entlang am Damm
beim Überqueren des Drahovsky-Kanals

Versteht mich nicht falsch: Ich liebe die Natur und alles was dazugehört. Aber da gings echt kilometerweit schnurgerade. Ohne Abwechslung. Keine Steigung. Keine Orte. Keine Leute. Nichts.

Wenn du da so eintönig rumgurkst, dann treibst du mit den Pedalen nicht nur das Fahrrad an sondern auch die Gehirnwindungen.

Radreisender mit zuviel Zeit zum Nachdenken

Ihr könnt euch meinen Streckenverlauf eh auch auf der Karte ansehen. Definitiv nicht spannend.

Man kann natürlich sagen: Ja, aber am 1. Tag war das ja noch viel länger gerade.

Und ich sage: Ja, aber am 1. Tag war ich froh, dass ich endlich losstarten konnte.

Die Luft ist raus

Und wenn du da so eintönig rumgurkst, dann treibst du mit den Pedalen nicht nur das Fahrrad an sondern auch die Gehirnwindungen.

Man beginnt zu überlegen. Man stellt sich wieder die Sinnfrage. Wozu das ganze? 3 Wochen Urlaub? Damit man irgend so einem langweiligen Kanal entlangfährt.

Und ganz ehrlich: Diese Strecke hat mir wirklich zugesetzt. Das glaubt man gar nicht. Weil das Wetter war ja nicht einmal so schlecht. Keine unüberwindbaren Steigungen (eigentlich garkeine Steigung). Ken Gegenweind. Aber es fehlte einfach irgendwas.

Ich sehnte das nächste Dorf herbei. Am Handy sah ich, dass das bald sein würde. Aber das war nur eine zerstreute Siedlung, der Weg führte gnadenlos am Damm vorbei.

Die Rettung: Endlich eine Stadt

Irgndwann kreuzte der Damm dann doch eine Stadt. Für mich war klar: Egal wie groß der Umweg ist, ich fahr in die Stadt. Alleine nur deswegen, damit ich von da weg komme.

Piestany hieß die Stadt. Ich passierte die Fußgängerzone mit einigen netten Restaurants. Aber für die Mittagspause war es zu früh. Also fuhr ich planlos durch die Stadt und suchte eine Bäckerei um mir so eine Jause zu holen.

Jausnen wollte ich im Park, den hatte ich vorher schon gesehen. Ich kurvte mit dem Rad durch den Park und plötzlich bemerkte ich ein Pärchen mit 2 Fahrrädern, die ordentlich vollbepackt waren.

Du hast es gut. Weil ab jetzt wirds richtig schön, du hast die schönsten Strecken vor dir. Jetzt kommen Burgen, jetzt kommen die Berge, ich bin fast ein bisschen neidisch.

Slowakische Radreisende im Gespräch

Nun war der Hunger zweitrangig, die Neugierde überwog. Ich steuerte auf die beiden zu und fragte wohin sie denn fahren würde. Die beiden waren Slowaken und waren eine Woche in der Slowakei unterwegs.

Die Motivationssspritze

Da die Frau jahrlang in Österreich arbeitete, sprach sie hervorragend Deutsch. Sie erzählte von ihren Raderlebnissen und fragte, ob ich eh auch in die Tatra wandern gehen werde. Weil wandern in der Slowakei ist Pflicht. Vor allem wenn man so nah dran ist.

Die beiden zeigten mir auf der Karte, wo ich schön wandern gehen könnte. Und dass ich das auf keinen Fall versäumen dürfte. Weil: Tatra ist Pflicht!

Ich erzählte noch von diesem langweiligen Damm und dann sagte sie: „Du hast es gut. Weil ab jetzt wirds richtig schön, du hast die schönsten Strecken vor dir. Jetzt kommen Burgen, jetzt kommen die Berge, ich bin fast ein bisschen neidisch.“

Das hat gewirkt! Vorfreude pur, das glaubst du nicht.

Wie’s der Zufall so will, hatten sie sogar ein Kettenöl dabei. Weil durch das viele Waschen hab ich nicht nur den Dreck sondern auch ganz schön viel Öl entfernt. Und dementsprechend geknarrt hat das Getriebe mittlerweile.

Topmotiviert verarbschiedete ich mich von den beiden und setzte meine Reise ohne Verzehrung meiner Jause fort. Hunger hatte ich plötzlich keinen mehr. Ich wollte fahren. Ich wollte genießen. Ich wollte das Schöne sehen.

Ich habe ja schon mehrmals berichtet, dass mich Begegnungen glücklich machen. Aber so sehr wie diesmal hatte ich das noch nicht erlebt.

Nach Piestany waren die Radwege stärker frequentiert und ich fuhr ein deutlich höheres Tempo als davor. Weil wenn Leute vor dir fahren, da willst du natürlich Gas geben. Der Windschatten-Vorteil war natürlich ein zusätzliches Argument. Und der Weg war auch frisch asphaltiert. Das weiß auch jeder: Auf schönem, glatten Asphalt macht das Fahren natürlich noch mehr Spaß.

Die Luft ist raus – diesmal wirklich!

Irgendwann musste ich den Radhighway dann verlassen und der Weg führte auf einem Feldweg-ähnlichem Gelände. Ich merkte, wie es mühsamer war zu fahren. Und ich hatte einen Verdacht.

Ich stieg ab, prüfte den Luftdruck am Vorderrad und meine Vermutung bestätigte sich: Patschen!

Wenn das vor der Pause im Park gewesen wäre – puh! Da wär ich ziemlich schlecht drauf gewesen.

Oder am 3. Tag im Wald bei Regen.

Aber jetzt? Ich war gut gelaunt, das Wetter ist angenehm, ich bin kurz vor einem Ort. Und es ist sogar der Vorderreifen.

ersteer Platte
erster Patschen auf der Radreise

Tja, das Wichtigste: Ich habe natürlich einen Reserveschlauch mit. Und eine Luftpumpe. Weil ohne die beiden Sachen wären die vorhin genannten Vorzüge nicht viel Wert.

Fassen wir zusammen: Wenn es einen optimalen Zeitpunkt für einen Patschen gibt, dann hat ihn der Radfahrgott genau richtig getroffen. Weil seien wir uns ehrlich: Irgendwann trifft es jeden einmal.

Nachdem ich den Schlauch getauscht habe, führte der Weg nicht mehr entlang der Waag sondern es ging mehr durch Orte. Hurra!

Mittlerweile meldete sich wieder der Magen. Ich hatte nun 2 Möglichkeiten: Entweder die Jause, die eigentlich für den Park vorgesehen wäre oder Essen gehen.

Ich entschied mich für ein Restaurant am Fuße der Burgruine Beckov.

Burg Beckov
Burgruine Beckov

Ich hab mich ein wenig über das Preisniveau gewundert.

Ungeschriebenes Gesetzt ist wohl, dass 0,5L Bier 1,5 EUR kosten. Das war pratkisch überall so. Ja, da darf man als Österreicher ein bisschen neidisch sein.

Dann gabs noch das Kofola, das ist eine Mischung aus Almdudler und Cola. Das ist in der Slowakei das typische Radfahrer-Getränk. Und mir hats auch sehr gut geschmeckt. Preis: 0,5L 1,3 EUR.

Und dann gibts noch das Leitungswasser. Da hat 0,5L 1 EUR gekostet. Das war jetzt aber nicht ein stilles Mineralwasser sondern wirklich das Wasser von der Wasserleitung. Da wundert mich nicht, dass da jeder soviel Bier trinkt.

Mein Mittagessen
Schoko-Nuss Palatschinken

Das Essen war sehr gut. Ich weiß es nicht mehr genau, was es war, aber es war auf jeden Fall etwas Regionales. Und bei der Nachspeise reicht schon ein Bild um zu sagen: Lecker!

Nun wollte ich mich weiter Richtung Trencin begeben. Am Weg dorthin versuchte ich vergeblich, in mehreren Dörfern einen Ersatzschlauch zu finden. Ohne dem fühlte ich mich ein wenig unsicher. Vor allem weil am nächsten Tag Sonntag war.

In Trencin angekommen merkte ich: Da ist was los. Die Stadt hat eine schöne Burg, das erklärt auch, warum das Zentrum touristenüberströmt ist. Ich hatte keine Augen für die Burg, ich wollte meinen Fahrradschlauch.

Ich googelte und fand eine Fahrrad-Werkstatt. Nur war es dann bereits nach 17 Uhr. Und da hast du in Trencin Pech. Ich fragte noch ein paar Passanten, aber ohne Erfolg.

Am Ortsende erkundigte ich mich noch bei 2 Tankstellen und einem Rasenmäher(!)-Fachhandel. Nada! Da heißt es wohl zittern die nächsten Tage.

Es war Zeit mich langsam um einen Übernachtungsplatz zu kümmern. Ich sah mir auf der Karte den weiteren Streckenverlauf an. Was ich vermeiden wollte: Eine vielbefahrene Strecke. Ich war unschlüsslig wie ich weiterfahren sollte.

Dreifach-Jackpot

Dann traf ich in einem kleinen Ort 2 Radfahrer die plauderten. Das ist immer ein gutes Zeichen. Weil wenn du irgendwelche Leute auf der Straße fragst, ob die Strecke für Radfahrer geeignet ist. Da bekommst du viele Antworten. Aber selten eine, die du dir erwarten würdest.

Aber Radfahrer. Die kennen sich aus. So war zumindest meine Vermutung. Als ich die beiden bei ihrem Plausch störte, wussten sie erstmal nicht, was ich von ihnen wollte. Sprachbarriere Hilfsausdruck.

Schlussendlich konnte ich mein Anliegen verständlich kommunizieren. Und einer der beiden meinte, er müsse ohnehin in die Richtung. Ich könne mit ihm mitfahren, er zeigt mir den Weg.

Jackpot! Eine Sorge weniger. Am Weg plauderten wir ein wenig. Scheinbar war er Anfangs geschockt, dass er auf Englisch angesprochen wurde. Denn je länger die Fahrt dauerte, desto besser konnten wir uns unterhalten.

Ich fragte, ob er wisse, wo man denn einen Ersatzschlauch bekommen könne. Er meinte, dass das vermutlich erst am Montag ginge. Aber er hätte bestimmt einen zu Hause in seiner Wohnung. Doppeljackpot!

Bei ihm zu Hause angekommen bekam ich dann tatsächlich den Ersatzschlauch und sogar noch ein Kettenöl für unterwegs. Das war schon ziemlich cool.

Ich erkundigte mich noch, ob er wisse wo man übernachten könnte. Auch da gab er mir einen Tipp. Es gibt da nämlich einen Fischerteich gleich in der Nähe. Dreifachjackpot!

Ich bedankte mich mehrmals, wir verabschiedeten uns, wünschten einander viel Glück und ich machte mich auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz.

Wildcamping Teich
Campen am Teich

Und diese Übernachtung, liebe Leute, die werde ich so schnell nicht vergessen…


Daten zum Tag:
Samstag 7.8.2021
🌤️

Gesamtstrecke: 103.91 km
Gesamtanstieg: 389 m

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