#06

Am Vortag war ich etwas enttäuscht, als ich am Morgen einen viel schöneren Platz gefunden hatte. Aber diesmal hatte ich einen wirklichen tollen Camping-Spot gefunden (siehe letzter Beitrag).

Der Teich wurde von einigen Fischern besucht und so ergab sich auch das ein oder andere Gespräch. Und auch das ein oder andere Getränk. Gastfreundlichkeit wird in der Slowakei groß geschrieben.

Als die Dämmerung einsetzte, begab ich mich in mein Zelt, ließ den Tag Revue passieren und versuchte noch ein paar Seiten zu lesen. Naja, weit gekommen bin ich nicht, nach wenigen Minuten war ich eingeschlafen.

Sturm kommt auf

Einige Zeit später wurde ich durch Sturmböen geweckt. Und das ist nicht schön. Denn es hatte den Anschein, dass ein Gewitter aufziehen würde. Hellwach lag ich im Zelt und hoffte, dass das Wetter sich bald beruhigen würde.

Als ich im Schlafack lag und an die Zeltplane starrte überkam mich ein seltsames Gefühl. Warum ist es so hell? Normal sollte es im Zelt ja viel dunkler sein.

Außenzelt verschwunden

Ich krabbelte zum Zelteingang, öffnete den Zip um festzustellen: Das Außenzelt war weg! Das verdammte wasserdichte Außenzelt war weg!

Was nun?

Ich versuchte meine Gedanken zu sortieren. Vielleicht hatte ich eine Möglichkeit, die Außenhülle zu finden. Oder sie würde im Teich umhergleiten.

Ich trat aus dem Zelt heraus, es war ziemlich finster. Glücklicherweise war die Hülle in den Zeltstangen verfangen und ich konnte einen erneuten Versuch starten, die Plane über das Innenzelt zu stülpen.

Es blieb allerdings beim Versuch, bei diesem Sturm war das ein Ding der Unmöglichkeit. Ich hätte es von vornherein besser befestigen müssen, damit es nicht weggeweht werden konnte. Aber dazu war es jetzt zu spät.

Um ein abermaliges Verwehen der Zelthülle zu verhindern, legte ich sie zu mir ins Zelt.

Ohne Regenschutz im Zelt

Aber ein Problem hatte ich immer noch: Die Innenhülle war sehr dünn. Und garantiert nicht wasserfest. Wenn es regnen würde, war ich aufgeschmissen.

Solange es nur stürmen würde, konnte ich damit leben. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass es mich mitsamt Zelt wegwehen würde (ja, in solchen Situationen hast du dann schon auch sehr abstruse Gedanken).

Wenn es jetzt beginnt zu regnen, bin ich aufgeschmissen

Gedanken im Zelt

Milan, mein Warmshowers-Host in Bratislava hatte mir eine gute Wetterseite empfohlen (ich bin da sehr genau und halte nichts von 0815 Wetter-Apps), die slowakische ZAMG sozusagen.

Wer kennt die Webseite der ZAMG? So wirklich handyfreundlich ist die nicht gerade, oder? Natürlich steht das slowakische Pendant dem nichts nach, sprich: Es war einfach extrem mühsam zu nutzen. Besonders um 1 Uhr früh im Zelt.

Wetterrecherche mitten in der Nacht

Irgendwie hatte ich es doch geschafft, die entsprechende Seite mit den Niederschlagsdaten für diese Nacht zu finden. Sogar mit stündlicher Risikowahrscheinlikeit. Geil!

Aber dann hatte ich ein weiteres Problem: Wo bin ich denn überhaupt?

Wisst ihr, da war nicht so eine Slowakei-Karte mit ein paar Regentropfen drauf sondern eine Liste von Bezirken. Alphabetisch sortiert. Und die Liste der Bezirke war wirklich lang.

Wie soll ich jetzt bitte wissen, in welchem Bezirk ich mich befinde?

Also lag ich da mitten in einer stürmischen Nacht im Zelt an einem slowakischen Fischerteich um herauszufinden, in welchem Bezirk ich mich befinde um eine detaillierte Wetterprognose zu bekommen.

Dazu kommt, dass die Seite nur auf Slowakisch verfügbar war. Das heißt, wenn du die entsprechende Unterseite gefunden hast, musst du die noch übersetzten. Mühsam!

Irgendwann hab ichs dann aufgegeben, weil eigentlich wäre es e egal, was der Wetterbericht sagen würde. Ich könnte ja ohnehin nichts machen. Weil das Zelt abbauen und mich wo anders einquartieren war ausgeschlossen.

Es beginnt zu regnen

Ich lag also im Zelt und hoffte inständig, dass es beim Sturm bleiben würde. Und kam wieder etwas zur Ruhe, döste vor mich hin.

Platsch! Etwa 3:30 war es, als ich den 1. Regentropfen am Innenzelt hörte. Oh nein!

Kurze Zeit später spürte ich den 1. Tropfen im Gesicht!

Und der Regen schien nicht nachzulassen.

Es gibt 2 Möglichkeiten: die vernünftige und die meinige. Ich entschied mich für meine

schlaftrunken sollte man keine wichtigen entscheidungen treffen

So, nun gibt es 2 Varianten: Die vernünftige und die meinige.

Die vernünftige wäre, sich mit dem Regenschutz, den ich ja vorige Nacht als Tarp verwendet hatte, vor der Nässe zu schützen. Ich behaupte mal, dass das ziemlich gut funktioniert hätte.

Warum ich mich nicht für die vernünftige Variante entschieden habe? Seit 6 Uhr morgens wach, 100 Kilometer in den Beinen und akuter Schlafmangel sind nicht die besten Voraussetzungen für rationale Entscheidungen.

Daher setzte ich mich im Zelt auf, und nahm die Kapuze des Schlafsacks als Schutz vor dem Regen – und wartete. Funktionierte natürlich überhaupt nicht und ich war in kürzester Zeit ziemlich nass. Aber das war meine Lösung.

Es wird kalt

Da es in der Nacht ziemlich abkühlte und die Kombination aus Temperatur und Nässe das Kältegefühl noch mehr verstärkte, fragte ich mich: Wie soll ich den Tag überstehen? Ich musste mich irgendwo aufwärmen, sonst würde ich mich bestimmt verkühlen.

Wie oft habt ihr den Satz „Boah, wie die Zeit vergeht?“ schon gehört oder selbst gesagt? Tja, die Zeit vergeht zum Glück. Egal was passiert. Und das war in meiner Situation mein Glück, denn Zeit vergeht immer, auch, wenn alles nicht so optimal läuft.

Mittlerweile war es etwa 5 Uhr und ich überlegte, ob ich schon aufstehen sollte. Aber was hatte ich für Alternativen? Warm wirds hier im Zelt sicher nicht mehr.

Kurz nach 5 Uhr krabbelte ich aus dem Zelt. Verstohlen blickte ich mich um. Und ein Vorurteil wurde bestätigt: Fischer sind Frühaufsteher! Einer drehte mit seinem Boot schon die ersten Runden auf dem Teich.

Ich dachte mir: Bevor ich auf bessere Zeiten warte, mach ich besser was Sinnvolles. Zum Beispiel Zelt abbauen.

Die Wende

Da der Boden natürlich komplett nass war, suchte ich einen trockenen Platz um das Zelt zusammenzulegen. Den fande ich in einem kleinen garagenähnlichem Gebäude.

Als ich gerade dabei war, meine Zeltplanen dort auszubreiten, steuerte ein Fischer auf mich zu.

Oje, ist das vielleicht seine Garage? Und ihm ist das nicht recht?

„Dobre rano“ wünschte er mir freundlich. Und er fragte, ob ich einen Kaffee haben mag?

Tja, wer mich kennt, weiß, dass ich seit mehr als 30 Jahren keinen Kaffee trinke. Also fragte ich vorsichtig, ob ich denn auch einen Tee haben könnte?

Kurze Zeit später brachte mir seine Tochter tatsächlich Tee in der Thermoskanne. Oh, ich war so glücklich. Heißer Tee. Ein Traum. Und dann bat mir die Tochter auch noch Croissants an. Das ist wirklich unglaublich! Das sind solche Kleinigkeiten, aber die sind so enorm viel Wert. Vor einer halben Stunde hab ich nicht gewusst wie ich den Tag überstehen soll. Und dann bekomm ich da ein Frühstück serviert.

Und damit es noch ein bisschen kitschiger wird, kommt plötzlich auch die Sonne heraus. All meine Sorgen verziehen sich gemeinsam mit den Wolken! Herrlich!

Und das sind diese Momente, die eine Reise so unbeschreiblich schön machen. Von einer extrem negativen Stimmung zu einer extrem positiven. Und wer mitgelesen hat bisher … solche Momente erlebt man wirklich oft. Up and Down. Die ganze Zeit. Nichts ist geplant aber irgendwie gehts dann doch immer weiter.

Ich bedankte mich gefühlte 100 Mal für die tolle Geste und machte mich gut gelaunt auf den Weg. Das Wetter wurde immer besser. Der Weg führte mittlerweile mehr über kleine Landstraßen. Das ist ein guter Kompromiss: kaum bis wenig Verkehr und trotzdem kein Gatsch.

Mein McMoment

Es war Sonntag, die Leute verließen die Kirche und ich sah 2 ältere Herren, die vor dem Mittagessen noch eine Runde mit ihren E-Bikes drehen wollten. Das waren jetzt aber nicht die E-Bikes wie sie bei uns überall zu sehen sind. Das muss schon mind. 10 Jahre alt gewesen sein, mit dem Akku am Gepäckträger. Jedenfalls hatten sie eine Panne.

Ich, der fleischgewordene Doppellinkshänder bot meine Hilfe an. Die Kette ist herausgesprungen und da war so ein blödes Plastikteil, welches die Kette vor Schmutz schützen sollte. Jedenfalls kam man da nicht zur Kette ran.

Und dann kam er, mein Mc Moment! Ich hatte ein Minitool dabei und wir schafften es, die Plastikabdeckung zu lockern um die Kette zu richten. Die beiden freuten sich und sie konnten ihren Trip fortsetzen. Wir hatten sogar den gleichen Weg und fuhren noch eine zeitlang nebeneinander.

Auf Russisch erzählte mir der jüngere weniger ältere, dass sie Brüder wären und jeden Sonntag ihre Tour machen würden. Die Strecke führte entlang eines Flusses, wirklich schön. Ja entlang eines Flusses kann schon schön sein. Nämlich dann wenn nicht alles schnurgerade und monoton verläuft.

Mittagpause Radtour
eine genüssliche Mittagspause auf einer herrlich grünen Wiese

Die Mittagspause machte ich einer herrlich saftig grünen Wiese. Ich nützte die Zeit um den Schlafsack in der Sonne trocknen zu können. Und spätestens da war die Nacht komplett vergessen.

Der Weg führte nun wieder über Güterwege ins nächste Dorf. Ziemlich hügelig aber mittlerweile mag ich Steigungen. Weil meist ist es landschaftlich schöner und es geht irgendwann wieder bergab.

Und dann gab es noch diese Brücke.

Die einfach so mal gesperrt ist.

WTF?

40 Kilometer Umweg oder quer durchs Gemüse?

manchmal muss man schwierige Entscheidungen treffen

Die können ja nicht einfach so die Brücke sperren. Die Einheimischen wissen es natürlich. Aber ich naiver Radler steh dann einfach vor der Brücke. Kommst du net rauf. Ich hab mir dann die möglichen Alternativen am Handy angesehen. Entweder einen 40km-Umweg über irgendwelche Straßen oder quer durchs Gemüse.

Ich glaub ich muss nicht erwähnen, wofür ich mich entschieden habe. Die Strecke war wirklich wunderschön. Direkt neben dem Fluss, kleine Buchten mit Bänken, kleinen Angelplätzen. Perfekt zum Spazieren. Aber zum Radfahren schon eine kleine Herausforderung.

Radfahren auf Wanderwegen
Wunderschön aber fordernd: Radfahren am Wanderweg

Weil der Weg so knapp neben dem Wasser war, da kannst du dir nicht viel erlauben. Und wenns bergauf geht und du mit dem Gepäck nicht rauf kommst und umkippst. Dann liegt man bald einmal im Wasser. Nun ja, ich bin in der Nacht genug nass geworden, das muss nicht noch mal passieren. Deswegen hab ich das Rad die meiste Zeit geschoben.

Dauert halt natürlich entsprechend. Aber besser als alle 10 Meter auf und absteigen. Irgendwie hab ichs dann doch geschafft und fuhr die restliche Strecke auf einer doch recht stark befahrenen Straße nach Zilina. Und dort hab ich mir dann ein Hotel gegönnt.

Das Hotel war so ein typischer Ostblock-Plattenbau, wirklich riesig. Und ich bin mit dem Rad und Ausrüstung zur Rezeption spaziert. Ist wohl auch noch nicht so oft passiert. Jedenfalls machte die Dame an der Rezeption einen überraschten Eindruck als sie mich in voller Montur sah.

Bei Hotels hast du als Radfahrer immer das Problem: Wo stellst du dein Fahrrad am besten ab? Im Zimmer ist es meist zu knapp und wenn du mehrere Stockwerke rauffahren musst, brauchst du Glück, dass du es in den Aufzug bekommst.

Oft gibts einen Storage Room, aber so wirklich sicher ist das auch nicht weil ja doch mehrere Leute Zugang haben.

Alternative?

Die Dame meinte, es gibt einen Raum, zu dem niemand Zutritt hat. Als ich an der Beschriftung „Disco“ sah, musste ich insgeheim grinsen. Mein Rad durfte in einer nicht mehr in Betrieb stehenden Disco Platz finden. Und den Schlüssel bekam ich auch dazu.

Oben im Zimmer angekommen nutzte ich den Vorteil eines bequemen Bettes. Denn eines kannst du dir sicher sein: Wenn du tagelang im Schlafsack schlafst, dann ist jedes Bett eine Verbesserung.

Hotelzimmer für Radfahrer in Zilina
5* Superior Deluxe Suite in Zilina

Und eines muss ich auch sagen: Mittlerweile war ich 6 Tage unterwegs und ich merkte langsam, dass mein Körper eine Pause braucht.

Ich hab das immer von anderen Radreisenden gelesen: Die machen nach 5-6 Tagen oft einen Tag Pause. Leute, ich kann euch vollkommen verstehen. Vor allem wenn man kaum oder nur schlecht schläft.

Deswegen würde ich am nächsten Tag nur eine verhältnismäßig kurze Tour machen.

Und danach einer anderen Tätigkeit nachgehen! Aber dazu das nächste Mal mehr.


Daten zum Tag:
Sonntag 8.8.2021
🌦️

Gesamtstrecke: 76.16 km
Gesamtanstieg: 571 m

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