#03
Das erste Geräusch, dass ich am nächsten Morgen wahrnahm? Regen! Es prasselte ganz schön herunter. Da hatte ich mit dem Schlafplatz im Schankraum der Raststätte wirklich Glück.
Tja, was machst du an so einem Tag? Wenn dus eilig hast: Schnell fertigmachen und losfahren. Aber in meinem Fall? Stress hatte ich ja keinen. Also dachte ich mir, ich warte einfach ab, bis sich die Wolke verzieht und fahr dann los wenn’s aufgehört hat zu regnen.
In der Theorie klingt das ja nicht schlecht, aber die Praxis sah anders aus: Es war nicht nur eine einzelne Regenwolke, der Himmel war komplett bewölkt. Könnte etwas dauern.
Alex‘ Freundin war mittlerweile wach, Koch und Kellner auch schon anwesend. Und so bekam ich ein leckeres Pasta-Frühstück serviert. Geil! Ordentlich Kohlenhydrate schaufeln am Morgen.
Ich packte meine Sachen und war theoretisch abfahrbereit. Aber naja, Regen. Wie gesagt: Wenn ich keine Wahl hätte, würde ich natürlich weiterfahren. Aber wenn ich die schon ein Dach über dem Kopf habe? Warum soll ich mich selbst quälen?
Wenn ich jetzt noch einen Patschen hab, dann sch… ich drauf
Markus S, malt den Teufel an die Wand
Und da sowieso keine Gäste da waren, war ich auch nicht wirklich eine Belastung. Also wollte ich noch etwas abwarten, vielleicht lässt der Regen nach.
Da ich nicht wirklich eine Beschäftigung hatte, überlegte ich was ich tun könnte. Auf derStandard.at hatte ich bereits die interessantesten Berichte durchgelesen (eher die Kommentare, die haben oft einen höheren Unterhaltungswert als die Berichte selbst – aber das kennt ihr ja). Auf SocialMedia wollte ich ja sowieso verzichten. Und dann kam mir die Idee: Ich hatte ja auch ein eBook dabei. Also nutzte ich die Zeit um ein paar Seiten zu lesen.
Ich muss zugeben: Früher habe ich sehr viel gelesen („4 Knickerbocker lassen niemals locker!“). Aber die letzten Jahre kaum. Und dann fällt es manchmal ziemlich schwer reinzukommen. Und dann lass ich mich – gerade bei den ersten Zeilen – sehr leicht ablenken. Wasserhahn da, Tür öffnet sich dort. Vogelzwitschern. Hund bellt. Irgendwas findet man immer. Und dann kommt man in keinen Lesefluss.
Also wirklich viel habe ich nicht gelesen. Ich glaube, wenn man lange nichts gelesen hat, da braucht man auch eine Zeit bis man wieder „reinkommt“. Zumindest ist es bei mir so.
Alles richtig gemacht
Jedenfalls hatte ich den eBook-Reader zur Seite gelegt und versuchte mich anders zu beschäftigen. Ich stellte Hochrechnungen an, wie weit ich denn heute kommen werde. Viel wirds nicht werden. Als es dann doch endlich auflockerte, wollte ich eigentlich schon fahren, aber dann war der Besitzer grad nicht da.
Weil ungeschriebenes Gesetz: Ohne Verabschiedung und dem obligatorischen Erinnerungsfoto fährt man nicht. Auch wenns noch ein bisschen gedauert hat: Es hat sich ausgezahlt, bis 13 Uhr zu warten. Als ich nämlich losfuhr, war das Wetter super. Schön. Ich war glücklich. Alles richtig gemacht.
Die Strecke führte nur durch Wald. Die erste Essensgelegenheit war etwa 3h Fahrzeit entfernt. Und es war ziemlich hügelig. Das ist ja grundsätzlich keine Problem. Ich hatte ja ordentlich gefrühstückt und hatte auch noch einen Notfallsriegel dabei.
Aber nur wenige Minuten nach meiner Abfahrt begann es zu tröpfeln. Und der Regen hat sich den Straßenverhältnissen perfekt angepasst. Sprich: aus Asphalt wurde Schotterweg bis hin zum Erdboden. Und der Regen wandelte sich vom Tropfen zu einem richtig heftigen Dauerregen. Als wär das nicht genug, hats auch noch gescheit gestürmt.
Der Boden war natürlich komplett nass. Da meine Reifen schon ziemlich abgefahren waren (selbst Schuld, die hätte ich ganz einfach zu Hause wechseln können), hatte ich wenig Grip und musste des Öfteren absteigen und schieben.
Spaß ist was anderes. Aber ich versuchte mir die Strecke schönzureden.

Ich sah an diesem Tag mehr Rehe als Menschen. Kein Wunder, wer fährt denn bei so einem Wetter auch mit dem Rad?
Mitten Im Wald?
Und dann war er plötzlich da der Gedanke:
Warum tu ich mir das an?
Weil wenn man so zurück überlegt:
- Tag langweilig am Donaudamm
- Tag großteils mit Einkaufen beschäftigt
- Tag dieses Sauwetter
Das soll Spaß machen?
Dafür opfere ich 3 Wochen Urlaub? Irgendwie habe ich versucht mich zu motivieren, hat dann eh für ungefähr 2 Sekunden funktioniert. Dann ist mir ein erneuter Regentropfen am Rücken runtergelaufen. Dazu kam dann auch noch der Hunger.

Bam oida
Dann fährst du weiter und dann liegt ein Baum vor dir. Bam! Das ist unter normalen Umständen kein Problem: Rad durchschieben und aus.
Aber mit dem Gepäck war das eine ziemliche Herausforderung. Zum Glück hats geklappt, ohne dass ich die Taschen abmontieren musste.
Also Spaß hat das definitiv keinen gemacht. Dann sah ich plötzlich 2 Mountainbiker die mir entgegen kamen. Entgegen ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Deren Weg führte ungefähr 50 Meter an meinem vorbei. Aber ich war froh, dass ich nach den Rehen auch menschliche Lebewesen sah.
Ich rief ihnen quer durch den Wald irgendwas zu. Keine Ahnung warum, ich war einfach nur froh, dass ich endlich Menschen sah, die ähnlich verrückt sind. Sie winkten freundlich zurück. Tja, manchmal feiert man die kleinen Erfolge.

Endlich im Trockenen
Irgendwie schaffte ich es dann doch noch zur nächsten Restaurant. Ein Italiener.
Und das stellt ihr euch bitte auch bildlich vor: Es saßen da einige Leute drinnen und speisten. Dann geht die Tür auf und ein komplett durchnässter, von oben bis unten gatschiger Fremder kommt rein und nimmt Platz. Was die sich gedacht haben, möchte ich gar nicht wissen.
Wenn die Kellnerin nach der Nachspeise fragt, und du eine 2. Hauptspeise bestellst
Hunger > Alles
War mir aber auch egal. Hauptsache trocken und warm. Und es gab was zu essen. Ich bestelle mir Tee um mich aufzuwärmen und eine Hauptspeise. Ich hatte mittlerweile so einen Hunger, das könnt ihr euch nicht vorstellen. Weil 3 Stunden bergauf und bergab – und dann war der Körper natürlich nauch noch damit beschäftigt die Temperatur zu regulieren, sprich: Schauen dass ich nicht friere. Kostet ziemlich viel Energie.
Als die Kellnerin kam und fragte ob ich noch eine Nachspeise haben wollte bestellte ich einfach eine 2. Hauptspeise. Wer weiß, wann ich wieder was bekomme. Ja, spätestens da dachte auch sie, dass irgendwas mit mir nicht stimmt. Naja, so oft werde ich ihr im Leben nicht mehr begegnen, also auch egal.
Nachdem ich mein Carbo-Loading abgeschlossen hatte, nutzte ich die Zeit im Trockenen, um meine Strecke etwas zu adapieren. Ursprünglich hatte ich ja vor, die kleinen Karpaten bis ganz in den Norden zu durchfahren. Aber wenn das so weitergeht – montone Waldstrecken, die permanent bergauf-bergab gehen, na, das muss echt nicht sein.
Ich hab die Strecke eigentlich gewählt, weil ich Wald mag und stark befahrene Straßen meiden möchte. Tja, manchmal ändert man seine Vorlieben. Ich beschloss die allernächste Möglichkeit zu nehmen und den Wald zu verlassen. Und eines war fix: Diesmal schlafe ich in einer fixen Unterkunft.
Da möchte ich noch einmal hervorheben, wie praktisch es ist, dass man nichts fix geplant hat. Gefällt mir etwas nicht, wird es einfach geändert. Das ist so ein befreiendes Gefühl.
Nachdem ich mich dann wieder einigermaßen fit fühlte, wollte ich meine Fahrt fortsetzen. Einen Teil gings noch durch den Wald, ziemlich bergauf sogar (jeder, der selbst gern im Wald unterwegs ist, der weiß, dass eine Steigung im Wald bei unbefestigter Strecke um einiges herausfordernder ist als eine asphaltierte Lanstraße).
Irgendwann hatte ich dann den höchsten Punkt erreicht. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich der höchste Punkt war, aber ich feierte diesen Platz insgeheim.

Die Strecke zog sich dann noch etwas, einige kleinere Steigungen hatte ich noch vor mir (wo ich natürlich auch jedesmal absteigen musste – kein Grip). Aber bald konnte ich den Wald verlassen. Und darauf freute ich mich wirklich schon. Weil einladend sah die Umgebung wirklich nicht aus.

Schließlich hatte ich es doch geschafft und ich war wieder auf Landstraßen unterwegs. Und – big surprise: Kein Regen mehr. Weil regnen tuts ja nur im Wald. Also nicht, dass wunderschön sonniges Wetter gewesen wär, aber einfach trocken.
Und da es dann bergab ging und ich ja doch recht nass war, machte der Fahrtwind das Kältegefühl wieder etwas intensiver. Jaja, bergauf fahren ist manchmal echt nicht so schlecht.
Auf Unterkunftssuche
Mein Plan war nun eine Unterkunft zu finden. Auf booking.com fand ich nichts in der Nähe also erkundigte ich mich im nächsten Ort nach einer Unterkunft. Nein, nicht in der Tourist Information, dafür sind die Orte zu klein. Leute die ich unterwegs antraf. Oder wenn ich Schilder angeschrieben sah. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Ok, mein Outfit wirkte anscheinend auch nicht gerade einladend, da muss ich die Passanten schon auch ein bisschen in Schutz nehmen.
Nachdem ich da erfolglos quer durch die einzelnen Gassen gefahren hab ich irgendwann einen netten Herren getroffen, der mir eine Unterkunft in der nächsten Stadt empfohlen hatte.
Die Stadt hieß Modra und ich muss sagen, die Stadt war wirklich sehr schön. Klein, aber total urig. Sie wird nicht umsonst die „Perle der kleinen Karpaten“ genannt. Und ist nebenbei die Stadt mit der größten Weinanbaufläche in der ganzen Slowakei #bildungsauftrag.
Happy End
Ich fand die Unterkunft und ich war dann komplett überrascht als ich sah, dass die Unterkunft auch mit Sauna und Pool ausgestatt war. Um 27 EUR! Obwohl ich an diesem Tag nur 40km zurückgelegt hatte war ich sowas von müde.
Aber die Sauna, die wollte ich mir schon geben. Das Schöne war, dass der ganze „Wellness-Bereich“ mir ganz alleine gehört (das passt irgendwie zum ganzen Tag). Ab in die Sauna, danach ein paar Längen im Pool drehen. Herrlich! Und da kam langsam das Gefühl der „Versöhnung“.
Warum tu ich mir das an?
Darum!
Manchmal braucht man auch Glück!
Daten zum Tag:
Donnerstag 5.8.2021
🌧️
Gesamtanstieg: 952 m