#01
Nach Wochen und Tagen der Vorfreude wars dann soweit: Wir schreiben den 3. August 2021 und meine erste längere Radreise sollte starten.
Ich wollte von zu Hause wegfahren und schauen wo ich in 3 Wochen ankomme.
Naja, ganz so planlos wars dann doch nicht.
Ich hatte schon einen ungefähren Plan. Es sollte Richtung Osten gehen. Warum Richtung Osten? Ich stelle die Gegenfrage: Warum nicht?
In Österreich kenne ich Land und Leute – im Ausland stelle ich mir das ein bisschen spannender vor. Vor allem je weiter du in den Osten fährst. Das war zumindest meine Vorstellung. Ich wollte einfach was Neues erleben.
Was mir ganz wichtig war: Ich wollte Zeit haben! Und ich wollte mich treiben lassen. Ohne fixe Route. Und dann irgendwo in den Zug einsteigen und zurück nach Wien fahren. Nach spätestens 3 Wochen wollte ich zurück sein.
Klingt abenteuerlich? War es auch!
Natürlich habe ich mir schon vorher angeschaut welche Zugverbindungen es überhaupt gibt. Wär sonst schon ein bisschen sehr naiv gewesen zu glauben, dass du von jedem Bahnhof in Europa nach Wien zurückfahren kannst. Vor allem mit Rad.
Irgendwas bleibt immer daheim
Nachdem ich alles gepackt hatte, konnte es also los gehen. „Alles gepackt“ ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Denn wie sich in den nächsten Stunden herausstellen sollte, hatte ich natürlich einiges vergessen.
Da kann ich mir 100 Checklisten machen, irgendwas bleibt immer daheim.
Und genauso verhält es sich mit der geplanten Abfahrtszeit. Weil: Hast du keinen Druck etwas zu erreichen (Flug oder Zug zum Beispiel), dann verschiebt sich das nach hinten.
Und irgendwann denkst dir dann halt schon: Ja, jetzt sollte ich wegfahren, sonst zahlt sichs auch nicht mehr aus.
Ich fahr a Runde mitn Rad
Meine Antwort auf des Nachbars Frage, wo ich so vollgepackt hinfahre
Als ich gerade meine Taschen am Fahrrad montiert hatte, sprach mich ein Nachbar an. „Na, wo gehts denn hin?“.
Hmm, was sag ich da? Dass ich mit Rad und Zelt einfach wegfahr? Ich hörte schon mögliche Antworten in meinem Kopf: „Ganz alleine? Das ist ja viel zu gefährlich.“ Bevor ich mich da verunsichern lasse und mich auf eine zeitaufwendige Diskussion einlasse, entschied ich mich für ein neutrales „ich fahr a Runde mitn Rad“.
Klang bestimmt sehr glaubwürdig: Vollgepackt mit 2 Radtaschen, Schlafsack, Isomatte und Lenkertasche kann man ja schon eine kleine Runde mit dem Rad fahren.
Endlich unterwegs
Schlussendlich war es kurz vor 15 Uhr, als ich es endlich schaffte in Richtung alte Donau loszufahren.
Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich nicht stressen zu lassen, wars dann leider doch irgendwie stressig. Denn: Das 1. Ziel sollte Bratislava sein. Da hatte ich mich um eine Unterkunft gekümmert. Und da sollte ich am Abend halbwegs pünktlich ankommen.
Ich passierte das Nackerpatzeldorf und nutzte auf der Donauinsel die zahlreichen Trinkmöglichkeiten um meine Wasservorräte aufzufüllen.
Dafür war das Wetter herrlich: strahlender Sonnenschein und Rückenwind. Richtig gelesen: Rückenwind! Sowas existiert wirklich für Radfahrer. Hat mich auch sehr gewundert.
Ich steuerte auf den Donauradweg und wollte mal ordentlich Kilometer machen. Und der erste Freiheitsgedanke machte sich breit: Mein Rad und ich – gemeinsam auf Tour. Mit einem ungewissen Ziel. Wochenlang alles um mich vergessen. Die nächsten Tage werden mich 2 Gedanken primär beschäftigen:
- Was esse ich
- Wo schlafe ich
Am Donauradweg kannst dich praktisch nicht verfahren.
Der Radweg nach Bratislava ist ziemlich einfach. Man fährt praktisch immer der Donau entlang und kommt dann irgendwann in der slowakischen Hauptstadt raus. Der Weg ist so einfach, dass ich mir nichmal die Mühe gemacht habe, die Strecke auf meine Uhr zu spielen. Weil: Am Donauradweg kannst dich praktisch nicht verfahren. Es gibt nur ein paar Abzweigungen wost halt schauen musst.
… und dann passiert es doch!
Nämlich genau so eine Abzweigung hab ich versäumt. Nach nicht einmal 15 Kilometer Strecke. Das fängt ja schon gut an. Das erinnerte mich ein wenig an meine erste Radtour vor 2 Jahren: Da hatte ich mich am Weg Richtung Polen genau einmal verfahren – und zwar kurz nach Wien. Aber das ist eine andere Geschichte.
Also war ich dann praktisch am Ende der Donauinsel. Dort ist zwar schön. Aber in meinem Fall auch irgendwie schön blöd. Weil da gibts keine Brücke mehr und ich musste dann doch einen ordentlichen Umweg machen bis ich wieder das Eurovelo 6-Schild sah.
Als ich mich dann wieder auf Kurs befand, war ein Verfahren dann wirklich unmöglich. Links Wald, rechts Donau – dazwischen der Radweg. Über mehrere Kilometer. Und wenn du monoton auf so einer Strecke fährst, beginnst du zu überlegen. Und wenn dir nichts mehr einfällt merkst du dein Hungergefühl. Weil wenn du vor hast um die Mittagszeit wegzukommen, dann planst du natürlich zu Hause kein Mittagessen mehr ein.
Und man will ja nicht nach 10 Kilometern schon die erste Pause zum Essen machen. Also nahm ich mir vor, zumindest die Hälfte der geplanten Tagesetappe durchzuhalte. Und das funktionierte ganz gut. Aber am Donauradweg fährst du nach Wien nicht wirklich durch Orte durch. Das heißt die Essensmöglichkeiten sind einigermaßen beschränkt und so entschied ich mich dann in Orth an der Donau die 1. Stärkung zu mir zu nehmen.
Am Anfang stellt man sich alles irgendwie romantisch vor: Die 1. Mahlzeit auf der Tour sollte was besonderes sein. Also war mir das 1. Lokal (was ziemlich nah am Radweg lag) nicht gut genug und ich klapperte den ganzen Ort(h) ab. Nur um festzustellen: Das 1. Lokal wär eigentlich das Beste gewesen.
Weil unter der Woche ist es gar nicht so leicht was zu finden: Alles andere hatte geschlossen. Also fuhr ich wieder zurück zum 1. Lokal und stellte mein Rad ab. Ich ärgerte mich ein bisschen, warum ich mich nicht gleich dafür entschieden hatte, denn der Gastgarten sah sehr einladend aus. Nur ein bisschen gar wenig los. Am Nachmittag wirds halt nicht gut besucht sein, redete ich mir ein.
Aber kein einziger Gast?
Natürlich! Dienstag Ruhetag!
Hmmm… nachdem ich da jetzt schon einiges hier herumgeirrt bin, entschied ich mich dann für was nicht wirklich Besonderes: Kebab! Aber mittlerweile wars mir egal, ich hatte Hunger und ich wollte nicht ewig weitersuchen. Ich werde die nächsten Tage bestimmt besser essen.
Nach diesem Gaumenschmaus radelte ich weiter Richtung Bratislava. Die Strecke war nicht wirklich spektakulär. Aber das musste es auch nicht. Schließlich diente dieser Abschnitt vorangig mich ans Radfahren zu gewöhnen und bei gröberen Problemen den Luxus einer Großstadt zu nutzen um dort etwaige Adaptierungen durchführen zu können.
Und ich war froh, dass ich Rückenwind hatte. Denn eine ebene, langweilige Strecke mit heftigem Gegenwind wär halt schon sehr demotivierend.
Die 1. Begegnung
Der weitere Weg führte nun über einen Feldweg. Als ich gerade in Gedanken versunken war hörte ich plötzlich eine Stimme: „Hi how are you?“.
In Hainburg hatte ich eine schöne Aussicht auf die Burgruine. Das ist halt schon ein Vorteil beim Radfahren: Mit dem Auto fährst du einfach schnell vorbei, mit dem Rad kannst du die Aussicht lange genießen. Und das tat ich auch.
Sichtlich erschrocken musste ich mich erst einmal fassen. Der Radler war praktisch aus dem Nichts aufgetaucht. Das Gepäck hatte ihn neugierig gemacht und er wollte wissen wohin ich fahre. Da wir beide Bratislava als Ziel hatten, nutzten wir die Strecke um ein wenig zu plaudern.
Ich mag solche Begegnungen total. Ja, es ist nur eine Kleinigkeit. Aber für mich sind solche kleinen Erlebnisse sehr wichtig. Weil ich merkte, dass ich nach jeder Begegnung besser gelaunt war. Und motivierter.
Bevor sich unsere Wege trennten, gab er mir noch Anweisungen, wie ich zu meinem heutigem Quartier gelange. Quartier ist nicht ganz die richtige Bezeichnung. Ich hatte im Vorfeld einen Warmshowers-Host organisiert. Warmshowers ist wie Couchsurfing von Radfahrer für Radfahrer. Das heißt Privatpersonen bieten unentgeltlich die Möglichkeit zur Übernachtung in deren eigenen Wohnungen an.
…und plötzlich stand ich allein in einer fremden Wohnung
Ich hatte das noch nie ausprobiert und dachte mir, dass das gerade in Städten eine gute Möglichkeit ist. Denn in einem Hotel hast du oft Probleme, das Rad sicher wo abzustellen. Und wenn du bei einem Radfahrer übernachtest, dann kann der dir sehr oft weiterhelfen. Seien es Tourenvorschläge, Werkzeuge oder mit allgemeinen praktischen Tipps.
Für meinen Host Milan war es kein Problem das Fahrrad in der Wohnung zu platzieren. Nach einer kurzen Wohnungsführung meinte er, er würde schnell was einkaufen gehen. Keine 5 Minuten nachdem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, überließ er mir seine komplette Wohnung. Das ist schon ein seltsames Gefühl.
Als er wieder zurück war, kochten wir gemeinsam eine leckere Pasta und tauschten uns über unsere bisherigen Touren aus. Das sind halt alles so Erlebnisse, die kannst du in keinem Hotel buchen. Milan gab mir dann noch Tipps für die weiteren Tage (meine bisherige Planung endete ja in Bratislava, ab hier wollte ich schauen wohin es mich führt).
Das Ladekabel liegt auf der Couch. In Wien!
Und als ich am Ende des Tages meine Garmin-Uhr aufladen wollte bemerkte ich es: Ich hatte mein Ladekabel vergessen!
Nur wie komme ich jetzt an mein Ladekabel? Oder was mache ich, wenn ich gar keines bekomme? Ohne GPS Uhr navigieren stelle ich mir ein bisschen mühsam vor.
Milan suchte für mich einen Garmin-Shop in Bratislava. Ich könnte am nächsten Morgen dort mein Glück versuchen. Na schauen wir, was das wird. Fängt ja schon gut an!
Daten zum Tag:
Dienstag 3.8.2021
☀️
Gesamtanstieg: 194 m