#10

An diesem Tag wurde ich sehr früh munter. Ich hatte einen etwas unruhigen Schlaf. Wahrscheinlich, weil ich dachte, dass plötzlich ein polnischer Bauer vor mir steht und ein paar Fragen hat.

Diese innere Unruhe führte dazu, dass ich bereits kurz nach 5 aufgewacht bin. Im Eiltempo packte ich meine Sachen und bereits um 5:45 startete ich radelnd in den Tag.

Jeder der manchmal wirklich früh außer Haus geht kennt diese morgendliche Athmosphäre.

Man hat das Gefühl, als einziger Mensch wach zu sein. Alle schlafen noch. Alles wirkt wie ausgestorben.

Ich finde diese Stimmung total faszinierend. Man hat ein bisschen den Eindruck, man ist der Gesellschaft einen Schritt voraus.

Wie navigiere ich jetzt?

Radfahren ohne GPS-Uhr

Die Gesellschaft hätte mich aber bald wieder eingeholt, denn der durchschnittliche Erdenbürger vergisst bzw. verliert nicht 2 mal sein Ladekabel für die GPS-Uhr.

Ich hatte ja am Vorabend kurz überlegt, die Reise komplett abzubrechen.

Okay, den Gedanken hatte ich nur sehr kurz. Denn wegen solch einer Lappalie beendet man doch nicht seine Reise.

Wenn du stürzt und schwer verletzt bist oder wenn dein Rad gestohlen wird. Ja, dann könnte man es in Erwägung ziehen, die Reise abzubrechen.

Aber nein, es geht weiter.

Ich nutze einfach das Handy zum Navigieren. Natürlich nicht dauerhaft, weil das zuviel Strom frisst (ich will ja auch noch Fotos machen).

Ich würde mich also von Kreuzung zu Kreuzung hanteln. Und nach Zakopane werde ichs schon irgendwie schaffen. Und dort gibts einen Intersport. Vielleicht habe ich dann Glück.

Viele zusammengewachsene Orte

Das Navigieren war anfangs überhaupt kein Problem. Denn es gab im Endeffekt nur eine Straße, der ich folgen musste. Und auch, wenn ich mit dem Ladegerät ein bissl „schlampig“ war.

Nicht alles hatte ich schlecht gemacht.

Denn: die Entscheidung auf der Kuhwiese zu übernachten hatte sich als sehr gut herausgestellt. Es gab soviele Orte, die zusammengewachsen waren. Keine Chance auf einen guten Übernachtungsplatz. Gefühlt bin ich dreimal Straßhof durchfahren.

Und auch die Kekse hatten sich als Goldgriff erwiesen. Steigungen (auch wenn sie nicht steil waren) auf nüchternen Magen erfordern Energie. Und die hatte ich in Form von Keksen. Denn Lebensmittel gab es um diese Uhrzeit noch nicht zu kaufen.

Marienstatuen und der Papst

Wie der eine oder andere aufmerksame Leser schon bemerkt hat: Ich finds ja so interessant, durch kleine Orte zu fahren. Nun hatte ich so gesehen das Paradies vor Augen: Viele kleine Dörfer – und das ohne Trennung von Freiland.

Und da sieht man, was sich in den Gärten tut. Und was de facto nicht zu übersehen ist: der katholische Glaube.

Die Frequenz der Marienstatuen ist echt unglaublich. Teilweise lebensgroße Statuen befinden sich in den Gärten. Und manchmal gab es auch Papststatuen von Johannes Paul II. (der ja bekanntlich Pole war) in privaten Gärten zu finden.

Papst Johannes Paul II. vor einer Kirche

Endlich Frühstück

Die Skleps sperrten langsam auf und ich nutzte die Möglichkeit mir ein Frühstück zu holen. Diesmal hatte ich Lust auf Joghurt mit Cerealien. Hauptsache Zucker halt.

Da ich immer noch meinem Vorsatz „kein Wasser kaufen“ treu bleiben wollte, fragte ich Bauarbeiter entlang des Weges um Trinkwasser. Daneben gab es eine Jausenbank, die ich für mein Frühstück nutzte.

Gerade beim Joghurt musst du das dann schon ein bisschen planen: Weil ein geöffnetes Joghurt mitnehmen … das wäre kompliziert. Müslischüssel hatte ich auch keines, daher einfach mal das Zeugs in den Joghurtbecher reinleeren und hoffen, dass sich das irgendwie ausgeht.

Herausfordernde Waldwege

Danach führte mich ein anfangs asphaltierter Güterweg weiter Richtung Zakopane. Und ich musste mich entscheiden, welchen weiteren Weg ich nun wählen sollte, denn es gab mal wieder mehrere Optionen.

Ich weiß natürlich nicht, wie der andere Weg zu fahren gewesen wäre, aber dieser war nicht so einfach zu bewältigen.

Blick nach oben: Hier musste ich herunter

Kurze Zeit später wars dann schon schwierig, das Rad zu schieben. Weil das Ding hat ja ein ordentlichs Gewicht auch noch.

beinahe unmöglich zu passieren

Aber eine andere Möglichkeit gabs dann nicht mehr. Ich musste das irgendwie schaffen.

An einer Stelle lag dann sogar ein umgestürzter Baum im Weg. Also hieß es wieder Taschen abmontieren, weil die Sturzgefahr durch das Schieben einfach zu groß war. Ich war mit den Kräften und auch ein bisschen mit den Nerven am Ende. Deswegen gibts davon nichtmal ein Foto.

Zakopane – Willkommen im Trubel

Schlussendlich hatte ich es doch nach Zakopane geschafft. Und dann war das, was ich nicht mag: Viele, viele Menschen. Souvenirgeschäfte wohin das Auge reicht. Zur Erklärung für alle, die Zakopane nicht kennen. Ich würde es am ehesten mit dem „Kitzbühel Polens“ vergleichen. Die Skisprungchance kennt man vermutlich, es ist auch das bekannteste Skigebiet Polens und wahnsinnig teuer. Natürlich ist es ordentlich herausgeputzt. Zumindest die Innenstadt. Kaum fährt man ein paar Meter stadtauswärts sind die Straßen in schlechtem Zustand. Die Bahnhofsgegend sieht beispielsweise überhaupt nicht einladend aus.

Ich muss zugeben, das Schönste an Zakopane war die Aussicht von der Ferne. Denn in der Stadt selbst wars natürlich mit dem Verkehr auch ein Horror. Bin ich ja alles nicht mehr gewöhnt.

Ja, Autos gabs auch sonst. Aber das waren eher Überland-Straßen. Im Stadtverkehr musste ich mich schon länger nicht mehr mit Autos matchen.

Nachdem ich dann endlich in der Fußgängerzone war muss ich schon zugeben: Es is schon nett.

Aber überlaufen.

Ich kaufe ein Ladegerät für meine GPS-Uhr und dann ist das Rad weg

einfach mal den Teufel an die Wand malen

Wie dem auch sei, mein Ziel war der Intersport. Den ich dann auch schnell gefunden hatte.

So, normalerweise hätte ich nicht soviel Angst einen Shop zu betreten und das Rad abzustellen. Aber in Zakopane? Da hatte ich ein mulmiges Gefühl.

Und alleine die Vorstellung: Ich kauf mir ein Ladegerät für meine GPS-Uhr. Und dann hab ich dafür das Rad nicht mehr? Wäre doch irgendwie die Ironie des Schicksals.

Ich fand dann doch einen halbwegs brauchbaren Platz in der Nähe des Eingangs wo ich die Chancen auf einen Diebstahl im tolerierbaren Bereich sah. Und das Gepäck würde ja ohnehin einige abschrecken.

Weil ich nicht damit rechnete, dass die Mitarbeiter mich auf Anhieb verstehen würden, hab ich mir bereits vor dem Betreten des Shops ein Bild des Ladegeräts herausgesucht. Weil bei Garmin ist es natürlich auch wieder nicht so, dass alle das gleiche System haben.

Aber ich hatte Pech. Nichts gibts. Kein Ladegerät.

Ich wollte aber nicht so schnell aufgeben und wandte die „vielleicht-kennst-du-wen“-Taktik eines Vertrieblers an, der gerade eine Absage erhalten hatte.

Kurzum: Wo könnt ich das noch Zakopane bekommen?

Als Antwort bekam ich, dass ich mein Glück beim polnischen Mediamarkt-Pendant versuchen könnte. Der wäre nur ein paar Minuten entfernt.

Das beste Beratungsgespräch aller Zeiten

Mein Fahrrad war noch am Platz und ich wollte mein Glück versuchen. Denn Zeit hatte ich ja genug und auf die paar Minuten kommt es ja auch nicht mehr drauf an.

Also weiter zum Media Expert und schauen was die da so sagen.

Der 1. Mitarbeiter sprach kein Wort Englisch, aber ich wollte es weiter versuchen. Und kurze Zeit später erfuhr ich auf Englisch, dass es das Teil hier nicht gibt.

Wieder wollte ich wissen, wo ich das bekommen könnte.

Und dann meinte der Mitarbeiter (der übrigens perfekt Englisch sprach), dass es da eine Seite gibt, wo man das bestellen könnte. Dort findet man alles, eine Art polnischer Ali-Express.

Danke, aber das wars dann. Ich werde nicht ein paar Tage für mein dummes Kabel warten. Außerdem wüsste ich nicht eimal, wo ich dann wäre. Und in Zakopane würde ich garantiert nicht schlafen wollen, da würde mein gesamtes Reisebudget wahrscheinlich verdreifacht.

Kennt ihr das, wenn ihr für jemanden die perfekte Lösung habt und ihn unbedingt überzeugen wollt? Denn nun war er es, der einfach nicht locker ließ.

Er meinte, wenn du bis 12 Uhr bestellst, ist es am nächsten Tag da (und es war nicht einmal 11 Uhr).

Und ich hatte irgendwie schon keine Lust mehr. Wohin soll ichs denn liefern lassen? 3. Baum von links?

Und dann kam sein Killerargument: Es gibt in ganz Polen Empfangsboxen. Wenn du heute bestellst, ist es morgen in deiner gewünschten Empfangsbox.

Langsam begann ich zu grübeln. Wenn ich wissen würde, wo ich morgen wäre, könnte ich mir das tatsächlich zu so einer Box liefern lassen. Und das Ladegerät war echt nicht teuer. Das Risiko wäre es wert.

Ich wurde also wirklich neugierig und fragte ihn, ob es die Boxen nur in größeren Städten gab. So schnell konnte ich gar nicht schauen, zückte er sein Handy und zeigte mir auf einer Karte wo es die überall gab.

Tatsächlich sind die Boxen echt gut verteilt. Nicht nur Großstädte sondern auch mittelgroße Städte. Er meinte, dass man dafür einen Account benötigen würde und der Bestellprozess nur auf Polnisch möglich wäre.

Das würde ich selbst mit Google Translate nicht bis 12 Uhr hinbekommen. Also half er mir bei der kompletten Bestellung und ich hatte tatsächlich ein Ladekabel bestellt.

Wenn man sich das ganze jetzt noch einmal überlegt, hatte ich richtig Glück, dass ich auf einer Kuhwiese übernachtet hatte. Sonst wäre ich nie so früh los gefahren und ich hätte das Kabel nicht vor 12 Uhr bestellt und hätte viel mehr planen müssen. Was ich ja eigentlich überhaupt nicht mag. Fixer Plan und Radfahren widerspricht sich gänzlich.

Und da so Empfangsboxen überall anders aussehen und nicht einmal wissen würde, wo ich die denn finden würde, fragte ich wie ich die erkenne.

Er meinte nur „Komm mit“ und wir gingen vom letzten Winkel des Geschäfts raus auf die Straße. Direkt vorm Shop gabs solche Boxen. Wie der Zufall so will war gerade ein Mitarbeiter da, der die Boxen befüllte.

Und „mein“ Berater erkundigte sich, wann die Lieferungen zustellt würden. Spätestens um 15 Uhr würde das der Fall sein. Perfekt!

Ich bedankte mich überschwenglich. Der Typ war echt unglaublich. Normalerweise sollte er Kunden beraten, die was kaufen wollten. Stattdessen half er einem verlorenen Österreicher ein Ladegerät, was sie nicht einmal im Sortiment führen, über eine Konkurrenzplattform zu bestellen. Wahnsinn, wie geduldig und hilfsbereit.

Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie das beim Mediamarkt in Wien abgelaufen wäre…

Wunderschöne Holzhäuschen

Nach einer kurzen Mittagsjause in einem Park in Zakopane setzte ich meine Fahrt fort. Ich musste anfangs wieder gegen den motorisierten Individualverkehr ankämpfen aber schließlich gab es doch einen baulich getrennten Radweg. In Polen werden diese Gehweg genannt. Und auch so beschriftet.

Der Verkehr nahm nun ab und es wurde ruhiger. Und idyllischer. Und dann fielen mir abermals die vielen Holzhütten auf. Ich finde diese so richtig schön.

unglaublich schönes Holzhaus nähe Zakopane
gleich mehrere Hütten auf einmal
Selbst die Kirchen sind teilweise aus Holz

Und hier noch einmal ein kurzes Video während der Fahrt

Mittlerweile waren meine Energiespeicher wieder leergefahren, das heißt ich brauchte etwas Essbares. Entlang des Weges fand ich eine nette Pizzeria. Da es in Polen kein Kofola gab, überlegte ich mir, was ich stattdessen trinken würde. Und ich entschied mich für Bier.

Da die Pizza doch etwas dauerte und es ziemlich warm war, war der Durst entsprechend groß. Und das Bier schnell leer. Auf halbnüchternen Magen bei den doch nicht so wenig zurückgelegten Kilometern fällte ich die Entscheidung, zukünftig kein Bier mehr zu Mittag zu trinken.

Nicht, dass ich von einem Bier betrunken wäre, aber so ganz die grandiose Idee war das wohl auch nicht. Ein 2. Bier wäre defintiv zu viel gewesen.

Ruhiger Radnachmittag

Der Nachmittag verlief dann wirklich ruhig. Ich merkte, wie ich immer mehr in entlegene Ecken kam und ich genoss die Idylle wirklich sehr.

Die Strecke führte durch weitere Dörfer und ich merkte, wie sich mein Wasservorrat dem Ende neigte. Also steuerte ich den nächsten Friedhof an und füllte meine Flaschen nach.

Und wie ich meine Blicke über den Friedhof streichen ließ, sah ich, dass nicht nur Gärten schön gepflegt waren sondern auch Friedhöfe.

Friedhof voller Blumen

Überall Polizei

Ich setzte meine Reise fort und mir fiel auf, dass vereinzelt Polizisten präsent waren. Das kam mir seltsam vor. Ich wurde neugierig.

Das Verhalten der Polizisten war aber nicht sonderlich angespannt also nahm ich nicht an, dass hier ein Verrückter eine Verfolgsungsjagd ausgelöst hat.

Irgendwann überwiegte die Neugierde dann doch und ich fuhr auf einen Polizisten zu und erkundigte mich warum hier soviel Polizisten herumstehen.

Anfangs verstand er meine Frage nicht aber schließlich murmelte er etwas von „Turbolonia“.

Mein Blick zeigte wohl ziemlich deutlich, dass ich nicht weiß, wovon er spricht. Er versuchte es erneut. Und irgendwie bekam ich es mit. „Tour Polonia“.

Ein Radrennen quer durch Polen. Und die heutige Etappe hatte in Zakopane gestartet. Und irgendwann am Abend würden die Radler hier durchstrampeln.

Ich merkte, wie sich vermehrt Passanten entlang der Strecke platzierten. Und als ich an einem Punkt ankam, wo die Strecke ohnehin gesperrt war, da entschloss ich einfach zu warten und mir meine Kollegen 1. Reihe fußfrei zu geben.

Man muss sich das so vorstellen: Da zog sich die Strecke in einigen Kurven von oben nach unten durch den Ort. Einige Einwohner waren entlang der Straße um auf die Radler zu warten. Und dann gabs immer ein Raunen wenn von oben was hearb fuhr. Ist es ein Motorrad? Ist es ein Funkwagen? Die Reihenfolge war in etwa so

1. Funkwagen

dann 10 Minuten nichts

2. Funkwagen

dann wieder 10 Minuten nichts

3. Funkwagen

dazwischen ein paar Motorräder

Sonderfunkwagen

2. Sonderfunkwagen

Sonder-Motorräder

Keine Ahnung wieviele wichtige Autos da noch gefahren sind.

Dann wieder ein Funkwagen.

Ich dachte schon da gibt es mehr Funkwägen als Radfahrer. Unglaublich. Das ganze Spektaktel zog sich ewig. Aber jetzt war ich schon zu lange da als dass ich einfach gehen konnte. Also wartete ich eine weiter bis die Radler endlich kommen.

Und zwischen den Fahrzeugen immer wieder dieses Raunen.

Und dann war es endlich soweit. Der Super Special Funkwagen gefolgt von einem weiteren wichtigen Auto und Motorrädern. Und dann noch ein Motorrad. Und dann endlich die Radfahrer. Also die Spitzengruppe. Das waren glaub ich vier Radler. Mit Respektabstand folgte dann das Hauptfeld. Und das war schon cool zu sehen wie die da ganz nah an einem vorbeirasen. Hat sich also schon ausgezahlt. Auch wenn es ein kurzes Vergnügen war.

Danach dann zig Serviceautos mit Ersatzrädern.

und plötzlich mitten im Radrennen

Auf (verzweifelter) Herbergssuche

Schon toll irgendwie, oder? Fährst so mir nichts, dir nichts und plötzlich bist du quasi mitten im Radrennen. Und das witzige ist ja, dass ich ich einige Kilometer der Strecke gefolgt bin. Unbewusst. Weil woher soll mein Handy wissen, dass genau so die Strecke verläuft? Zufälle gibts. Zum Glück!

Was ich noch vergessen hatte zu erwähnen: Wo werde ich denn schlafen? Da ich jetzt schon einige Nächte hintereinander im Zelt geschlafen habe, würde ich eine richtige Dusche sehr begrüßen.

Ich hab den Nachmittag über schon mehrmals versucht in Pensionen Unterschlupf zu finden. Niemand hatte einen Platz für mich. Und sich wer fragt, warum ich nicht bei Booking geschaut habe: Das habe ich natürlich auch. Erfolgslos.

Die Suche hatte ich nicht so intensiv gestaltet wie damals in Terchova, aber 10 Pensionen hatte ich bestimmt abgeklappert.

Nun wollte ich in dem Ort, wo ich auf das Radrennen gewartet hatte, einen letzten Versuch starten. Viel Hoffnungen machte ich mir nicht mehr. Generell ließ ich Unterkünfte aus, die sich an einer Hauptstraße befanden. Das bringt echt nichts.

Wenn, dann nur an abgelegeneren Plätzen. Und dann sah ich ein ziemlich ausgebleichtes Schild, welches auf eine Unterkunft verwies. Ob da noch jemand drinnen wohnt?

um den Preis geh ich lieber in den Wald zurück

Was hatte ich zu verlieren. Und vielleicht schreckt das andere genauso ab. Deswegen hatte ich noch eine Chance.

Ich betrat also den Hof. Niemand war zu sehen. Ich bemerkte, dass jemand in der Garage an einem Auto herumschraubte. Also steuerte ich auf ihn zu und fragte freundlich ob es noch ein Zimmer gäbe.

Er dürfte ziemlich überrascht gewesen sein, dass hier jemand aufkreuzt. Verstanden hat er natürlich kein Wort also deutete ich mit gefalteten Händen das internationale Schlafenzeichen.

Kurz darauf verschwand er im Haus und eine ältere Dame kam mir entgegen. Ich erklärte mein Anliegen und sie fragte ob ich bei booking gebucht hatte. Dass diese Unterkunft bei booking vertreten sei, konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen.

Als ich das verneinte, meinte sie, sie müsse Rücksprache mit ihrem Mann halten. Und dieser meinte ein Zimmer wäre frei. Dusche und WC am Gang. Ja, kein Problem für mich (ich kann mir nicht vorstellen, dass da überhaupt jemand anders wohnt).

Die Frage nach dem Preis quittierte er mit „zuerst schauen“. Er sprach nämlich ein paar Brocken Deutsch. Nachdem ich das Zimmer, eine wirklich einfache aber keinensfalls abstoßende Unterkunft, gesehen hatte, wollte ich erneut wissen, wieviel es nun kostete.

Da er nichts zum Schreiben dabei hatte „zeichnete“ er mit Fingern Zahlen auf den Tisch. 550. Mir war es egal und ich war gerade dabei mein Gepäck raufzutragen. Dann rechnete ich nach 550 Zloty? Das sind 120 EUR? Für eine Pension ohne Frühstück in Polen.

Die nutzen meine Lage total aus. Der merkt, dass ich nichts gefunden habe und dass es mittlerweile schon spät ist und auch weiter nichts finden werde. Sie denken, ich bin ihnen ausgeliefert.

Aber nicht mit mir. Bevor ich da 120 EUR für die Nacht zahle, geh ich in den Wald. Ich schnappte mein Gepäck und war am Weg nach unten. Wo der potentielle Gastgeber lächelnd vor mir Stand. Ich wollte gerade sagen, dass ich doch nicht hier übernachten werde. Bevor ich das schaffte hielt er mir einen kleinen Zettel entgegen.

Darauf stand: 55 Z.

What?

Dann kam es mir: Er hatte vorher nicht 550 auf den Tisch gezeichnet sondern 55 Z(loty).

Halleluja, um 12 EUR brauch ich nicht in den Wald.

12(0) Euro die Nacht

So benutzt man eine Waschmaschine – nicht!

Das wäre also auch geklärt. Da ich meine Wäsche bisher nur in Bächern oder Waschbecken gewaschen hatte, erkundigte ich mich, ob es möglich wäre, die Waschmaschine zu benutzen.

Es wäre überhaupt kein Problem. Chance genutzt, und außer den Jacken einfach alles in die Waschmaschine geworfen und eingeschaltet.

Nur mit Badetuch und Jacke bekleidet traf ich den nochmal den Gastgeber am Gang der mir dann erzählte, dass er früher in Deutschland gearbeitet hatte. Und plötzlich stand ein weiterer Gast am Gang. Wir unterhielten uns ein bisschen und ich fragte ob es hier etwas zu essen gab. Der Gast, ein junger Pole, sprach zum Glück perfekt Englisch und meinte er kenne etwas. Wenn ich will können wir gemeinsam gehen.

Ja voll super, gemütlich a Bier mit Einheimischen, das hätte schon was. Im Wald findest ja nicht soviel andere Leute (zum Glück).

und was zieh ich jetzt an?

Und just in dem Moment, als ich den Vorschlag annahm, kam es mir: Was zieh ich denn an? Ich hab nichts mehr. Garnichts.

Mist!

Die Wäsche würde noch eine schöne Weile dauern und selbst dann ist es noch nass.

Aber Tomasz, so hieß der polnische Gast, meinte, das wäre kein Problem. Wir warten einfach.

Und ich schmiedete bereits Pläne über mein improvisiertes Outfit: Ich trag einfach eine Jacke und eine Badehose. Die Jacke hab ich nicht mitgewaschen und die Hose is e schnell trocken. Mehr brauch ich nicht, da es e ziemlich warm war.

Ich bestellte ein Bier und die Kellnerin lief knallrot an und verschwand in der Küche

Nachdem dann die Waschmaschine endlich fertig war, spazierten Tomasz und ich zu einem Imbisslokal. An der Theke stehend bestellte ich einen Burger und war verwundert über die Reaktion der Kellnerin: Sie lief knallrot an und lief panisch in die Küche.

Scheinbar kommen hier nicht viele Ausländer zu Gast. Wie denn auch? Ausländische Touristen gibts hier keine und selbst wenn, dann findet das Lokal wahrscheinlich niemand.

Irgendwie schaffte ich doch noch einen Burger zu bestellen. Natürlich wäre es möglich gewesen, dass Tomasz die Bestellung durchführt. Aber das wäre nur halb so lustig. Also bestellte ich das Bier auch auf Englisch. Ja, manchmal muss man auch ein bisschen gemein sein.

Wir hatten es auf jeden Fall sehr lustig. Und auch die Kellnerin hatte sich dann langsam gefangen und war dann sogar bereit für ein Erinnerungsfoto.

Tomasz, Marta und ich (man beachte die Jacke)

Tomasz ist wie ich auch alleine unterwegs und er kennt sich wirklich gut in der Umgebung aus obwohl er aus dem Raum Warschau kommt. So konnte er mir einen absoluten Geheimtipp geben. Und das war einer der schönsten Abschnitte der Strecke. Auf die ich nie gekommen wäre, wenn ich ihn nicht getroffen hätte. Spontantiät gewinnt!

Daten zum Tag:
Donnerstag 12.8.2021

Gesamtstrecke: 63.08 km
Gesamtanstieg: 1252 m

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